Das neue Jerusalem: Der Himmel auf Erden

 

 

J. Das neue Jerusalem 21, 9 - 22, 5

1. Die Einleitung der Vision 21, 9+10

9 Dann kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den letzten sieben Plagen ausgeschüttet hatten, und er redete mit mir und sprach: Komm hierher, ich will dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen. 10 Und im Geist führte er mich weg auf einen großen und hohen Berg, und er zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott aus dem Himmel herabkam.

21, 9-10: Eigentümlicherweise zeigt ausgerechnet einer der Engel, die die sieben Zornschalen ausgeschüttet hatten, Johannes nun die Braut bzw. die Frau des Lammes. Das eigentliche und letzte Ziel der Gerichte Gottes, die der Engel repräsentiert, ist also nicht die Ausrottung aller Gottlosen auf Erden, sondern die Einsetzung der Erlösten in den ihnen von Gott zugedachten Stand – wenngleich es dazu notwendig ist, alle unverbesserlichen Sünder vom zukünftigen Schauplatz des Reiches Gottes zu entfernen.

Der Gipfel des großen und hohen Berges, auf den der Apostel zum Zweck des Empfangs der nun folgenden Vision geführt wird, markiert symbolisch den über alle Zeitläufe erhabenen Standpunkt der gottgeschenkten Vollkommenheit, das glückselige Betrachten und Genießen des vollkommenen Zustandes, den Gott am Ende der Tage herbeiführen wird. So darf Johannes schon viele Jahre vor der Zeit die heilige Stadt Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabkommen sehen.

2. Die Gesamtschau des neuen Jerusalem 21, 11-14

11 Sie war von der Herrlichkeit Gottes erfüllt, und sie strahlte wie ein überaus kostbarer Edelstein: Sie funkelte wie ein Diamant. 12 Sie hatte eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren, und auf den Toren waren zwölf Engel, und Namen waren darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. 13 Drei Tore führten vom Osten in die Stadt, drei vom Norden, drei vom Süden und drei vom Westen. 14 Und die Stadtmauer hatte zwölf Grundsteine, auf denen die zwölf Namen der Apostel des Lammes geschrieben waren.

21, 11: Die aus dem Himmel von Gott herabkommende Stadt besitzt – wie könnte es auch anders sein – Gottes Herrlichkeit. Diese entspricht der alttestamentlichen "Schechina", der persönlichen Gegenwart Gottes, die sich während der Zeit der Wüstenwanderung in der Wolken- und der Feuersäule, später dann in der Rauchwolke der Stiftshütte und zuletzt des Tempels, Ausdruck verlieh.

Stiftshütte und Tempel sind Vorbilder der Kirche: Das Wüstenheiligtum versinnbildlicht die "streitende Kirche" auf Erden; dagegen ist der Tempel ein Typus der verherrlichten Kirche im Himmel. Während jedoch in der Schechina die persönliche Gegenwart Gottes noch in einer Rauchwolke verhüllt erschien, ist sie im menschgewordenen Gottessohn, der "wahrhaftigen Hütte Gottes, die Gott und nicht ein Mensch aufgerichtet hat", unverhüllt hervorgetreten: zunächst im Leben und Wirken Christi auf Erden, dann verhüllt im Heiligen Geist und schließlich, nach seiner Wiederkunft, für alle sichtbar und leiblich gegenwärtig.

Die Herrlichkeit des neuen Jerusalem, die ihren Ursprung und Quell in der persönlichen Gegenwart Christi unter den Seinen hat, wird mit dem Funkeln eines Diamanten verglichen. Gleich diesem edelsten aller Steine ist der verherrlichte Gottes- und Menschensohn derjenige, der in der neuen und verklärten Schöpfung fortwährend das Feuer des göttlichen Geistes in allen Farben und Schattierungen versprühen wird.

21, 12+13: Die große und hohe Mauer dient dem neuen Jerusalem nicht der Abwehr von Feinden; denn diese sind ja nicht mehr vorhanden. Vielmehr markiert sie die Abgrenzung der Einwohner der heiligen Stadt von den übrigen Bürgern des Reiches Gottes, d.h. von den um sie herum wohnenden Menschen und Völkern, die nicht dem "Allerheiligsten", sondern dem "Heiligen" und dem "Vorhof" angehören.

Die zwölf Tore sind nach allen vier Himmelsrichtungen offen, um den Zugang in die Stadt zu ermöglichen. Sie weisen auf zwölf in ihrer Wesensart verschiedene Gruppen von Menschen hin, die die Aufgabe haben, weitere erlöste und deshalb auch fortschrittsfähige Menschen in das Verständnis der Geheimnisse Gottes tiefer einzuführen. Die den Toren zugehörigen zwölf Engel symbolisieren den Auftrags- und Botencharakter dieser zwölf Menschengruppen, die mit den zwölf mal zwölftausend versiegelten Erstlingen des Lammes identisch sein dürften.

Auf jedes der Tore ist jeweils einer der zwölf Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels geschrieben. Die zwölf Stammesnamen machen nicht allein deutlich, daß Jerusalem die Stadt des Volkes Gottes ist. Sie zeigen auch an, daß der zwölffach verschiedene Charakter der geistlichen Stämme der Christenheit auch in der Ewigkeit eine bedeutende Rolle spielen wird. Den unterschiedlichen geistlichen Bedürfnissen und Veranlagungen aller Menschen wird im Reich Gottes in vollkommener Weise Rechnung getragen werden.

21, 14: Die Mauer des himmlischen Jerusalem steht auf zwölf Grundsteinen, auf denen die Namen der zwölf Apostel geschrieben sind. Nach neutestamentlicher Lehre ist der geistliche Bau der Kirche "auf dem Grund der Apostel und Propheten errichtet, wobei Jesus Christus selbst der Eckstein ist". Dieser faßt also Fundament und Mauern zusammen und verbindet sie zu einer harmonischen Einheit. Auch im vollendeten Reich Gottes wird demnach das Amt der unmittelbar vom Herrn der Kirche Bevollmächtigten fortbestehen.

Ausdrücklich werden die obersten Leiter der Kirche hier die Apostel des Lammes genannt, denn es wird die Herrschaft der Sanftmut und der Liebe sein, die der erhöhte Menschen- und Gottessohn über alle erlösten Menschen durch seine Apostel, durch solche Männer, die er jeweils einzelnen und persönlich berufen hat, zur Ausführung bringen wird.

Das neue Jerusalem: Die Stadt ohne Leid und Geschrei