Der Antichrist (4): Sein Zusammenwirken
mit dem Tier aus der Erde

 

 

Das Tier aus der Erde  13, 11-18

11 Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen, das hatte zwei Hörner wie ein Lamm, es redete jedoch wie ein Drache. 12 Es handelte unter der Aufsicht und mit der ganzen Vollmacht und Autorität des ersten Tieres und brachte die Erde und die auf ihr Wohnenden dazu, das erste Tier anzubeten, dessen tödliche Wunde geheilt geworden war. 13 Auch tat es große und erstaunliche Zeichen und ließ sogar vor den Augen der Menschen Feuer vom Himmel auf die Erde fallen. 14 So verführte es die auf der Erde Wohnenden kraft der Zeichen, die ihm in Gegenwart des Tieres zu tun gegeben waren. Dann forderte es die auf der Erde Wohnenden auf, dem Tier, das die Schwertwunde hatte und wieder lebendig geworden war, ein Bild zu machen. 15 Und es empfing die Macht, das Bild des Tieres mit Lebensgeist zu erfüllen, so daß das Bild des Tieres sogar reden konnte. Und es sorgte dafür, daß alle, die das Bild des Tieres nicht anbeten wollten, getötet wurden. 16 Und alle, die Kleinen und die Großen und die Reichen und die Armen und die Freien und die Sklaven - alle brachte es dazu, daß sie sich ein Kennzeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn machten. 17 Und wer das Kennzeichen - nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens - nicht hatte, konnte weder kaufen noch verkaufen. 18 Hier ist Weisheit nötig: Wer Verstand hat, der berechne die Zahl des Tieres; denn sie ist die Zahl eines Menschen. Es ist die Zahl sechshundertsechsundsechzig.

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13, 14+15: Verführt durch die Zeichen der falschen Propheten, errichten die auf der Erde Wohnenden, d.h. alle irdisch Gesinnten, dem ersten Tier ein Bild. Deutet man das Tier im ursprünglichen Sinn auf den gesamten Organismus des antichristlichen Weltreiches, dann ist mit dem Bild hier die Person des Antichristen gemeint, der als sichtbares Haupt der fanatisierten Massen erst relativ spät seine Inthronisation als "Gottkaiser" erfährt. Die Bezeichnung Bild ist insofern treffend, als sich in seiner Person Eigenart und Charakter des letzten Universalreiches gleichsam brennpunktartig widerspiegeln.

Zum drittenmal werden hier die geheimnisvollen Worte von der tödlichen Wunde und deren wunderbarer Heilung erwähnt. Dies legt den Schluß nahe, daß das mögliche satanische Auferstehungswunder des Antichristen mit seiner weltweiten Anerkennung in unmittelbarem Zusammenhang steht. Vermittler dieses Wunders sind die Vertreter des geistlichen Standes, denn das zweite Tier empfängt die Macht, das Bild des Tieres mit Lebensgeist zu erfüllen, so daß es sogar reden kann. Die satanische Inspiration, die der Antichrist nach seiner "Auferstehung" empfängt und die ihm ein phänomenales Charisma vermittelt, wird ihn zu unglaublich kraftvollen und aufsehenerregenden Äußerungen befähigen.

Eine weitere Deutung ergibt sich, wenn man das erste Tier auf die Person des Antichristen bezieht. In diesem Falle weist das Bild auf das Anfertigen und Aufstellen von Kultbildern hin, die der Verehrung des letzten Weltherrschers dienen werden. Möglicherweise wird auch eine Hauptkultstätte mit einem besonders aufwendigen Bild, in welcher Form auch immer, eingerichtet, um der Verehrung des Antichristen einen allen Menschen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Besondere Verblüffung wird das Vermögen der falschen Propheten hervorrufen, dem Bild Lebensgeist einzuhauchen, so daß es zu reden vermag.

Ein präziser Typus dieses Bilderkultes war das Standbild, das einst dem babylonischen König Nebukadnezar errichtet wurde. Unter Androhung der Todesstrafe durch Verbrennen ließ er die Bürger seines Reiches zur Verehrung dieses Bildes, in dem der Gott-König gewissermaßen selbst vor die Gläubigen hintrat, auffordern. In ähnlicher Weise werden auch die falschen Propheten des Antichristen dafür sorgen, daß Kultverweigerer hingerichtet werden.

13, 18: Am Ende des Abschnitts wird ein geheimnisvoll verschlüsselter Hinweis auf das Tier aus dem Meer gegeben. Ein Mensch ist es, denn seine Zahl ist die eines Menschen, nämlich sechshundertsechsundsechzig. Die Berechnung, d.h. die Entschlüsselung dieses Zahlenwertes erfordert Weisheit und Verstand. Allerdings sind hier weniger intellektuelle Fähigkeiten gefragt. Sondern nur solche Weisheit, die Gott selbst schenkt, vermag dem suchenden und forschenden Leser zur Lösung verhelfen. Der Schlüssel zum Verständnis der geheimnisvollen Zahl liegt in der Aussage, daß es sich um die Zahl eines Menschen handelt. Die Zahl sechs weist zunächst ganz allgemein auf den 6. Schöpfungstag hin, an dem der Mensch geschaffen wurde. Am darauffolgenden 7. Tag ruhte Gott von seinen Werken, und auch der Mensch empfing - als die erste aller göttlichen Weisungen - das Gebot der Sabbatheiligung.

Der eigentliche Zweck des Sabbats bzw. des Feiertages besteht für die Gläubigen, vereinfacht gesprochen, darin, an ihm die Ruhe in Gott zu finden. Während jedoch die jüdische Sabbatheiligung einen starken Bezug zur Herrlichkeit der ersten Schöpfung aufweist, blickt die christliche Sonntagsheiligung nach vorn, nämlich auf die Neuschöpfung der endgültigen Erlösung, die in der Taufe bereits ihren Anfang genommen hat. Gemeinsam ist Juden und Christen, daß der Ruhetag trotz unterschiedlicher Akzentgebung das sichtbare Zeichen der Gemeinschaft des Menschen mit Gott ist. Wer diese Gemeinschaft verläßt und den Ruhetag nicht mehr bzw. nur noch in äußerlicher und formalistischer Weise einhält, ist ein Vertreter der Zahl sechs - im Gegensatz zur sieben, die auf ein bewußtes Leben mit Gott, in der Hoffnung auf das Kommen seines Reiches, hinweist.

Als Zahl eines Menschen mit ausgeprägt gottfeindlicher Gesinnung tritt die 6 zunächst im Charakter des Riesen Goliath in Erscheinung, der eine Körpergröße von 6 Ellen und einer Handbreite hatte. Dieses Maß steht symbolisch für die ungeheuerliche Entfaltung der natürlichen menschlichen Kraft in ihrer Erhebung gegen Gott. Dabei stand Goliath nicht allein, sondern er ging den Philistern voran, die sich in ihrem Kampf gegen das Volk Gottes auf ihre natürliche Kraft verließen, wobei sie das kindliche Gottvertrauen Davids hohnlachend verachteten.

Vom babylonischen König Nebukadnezar wird berichtet, daß er ein goldenes Bild errichten ließ, vor dem alle Menschen anbetend niederzufallen hatten. Die Größe dieses Bildes betrug bezeichnenderweise 60 Ellen in der Höhe und 6 Ellen in der Breite. In diesen Maßen kommt eine deutliche Weiterentwicklung des symbolischen Prinzips der 6 zum Ausdruck, denn Nebukadnezar war nicht wie Goliath ein Gelegenheitskämpfer, sondern der Begründer einer wohlorganisierten und dabei entschieden gottfeindlichen Monarchie, die allen Dissidenten die Todesstrafe androhte.

Die Zahl des Antichristen, 600+60+6, weist auf eine noch größere Entfaltung der natürlichen Kraft des Menschen hin, als sie Goliath oder die Schreckensherrschaft Nebukadnezars repräsentierten. Die drei Sechsen des letzten Großtyrannen werden eine um ein vielfaches gesteigerte Lästerung des Namens Gottes und eine weitaus drückendere Knechtschaft bringen, als es in früheren Zeiten jemals der Fall gewesen war. Somit weist die Zahl 666 auf das höchstmögliche Maß an Bosheit und Vermessenheit vorsätzlich gottloser Menschen hin.

Der Antichrist (5): Das Gericht der siebten Zornschale